Als Führungskraft durch die Krise – z.B. mit Hilfe von Krisencoaching

Die Corona-Pandemie und die enormen Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens stellen uns vor ungekannte Herausforderungen. Wir ahnen oder erleben bereits, dass die aktuelle Krise tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen wird. Wir können aber noch keineswegs absehen, wie die Welt in zwei Wochen, zwei Monaten oder zwei Jahren aussehen wird. Nur eins ist sicher: dass vieles gerade unsicher ist.

Klar ist allerdings auch, dass es erfolgreiche und weniger erfolgreiche Methoden gibt, Krisen zu verarbeiten. Sich Unterstützung durch Krisencoaching zu suchen, ist eine erfolgreiche Methode zur Krisenbewältigung.

Krisen haben immer zwei Ebenen: die reale Gefahr bzw. Herausforderung und die emotionale Bewertung und Reaktion.

Prinzipiell reagieren Menschen auf Bedrohungen zunächst instinktiv. Oft erst durch Verleugnung, und wenn die Bedrohung akut wird und nicht mehr zu leugnen ist, durch Kampf, Flucht oder Schockstarre. Erst mit Verzögerung setzt rationale Krisenbewältigung ein. Manchmal zu spät. Manchmal auch gar nicht. In der Steinzeit waren die spontanen Reaktionen angemessene Verhaltensmuster – und auch heute können es wichtige Überlebensimpulse sein. Doch für den Umgang mit eher abstrakten Gefahren ist es unklug, sich nur auf seine Instinkte zu verlassen. Angst ist kein guter Ratgeber.

Angst ist außerdem unproduktiv. Angst kann lähmen und zu Passivität führen. Oder zu Aktionismus – unfokussierter Beschäftigung als Vermeidungsstrategie.

Es ist besser, die Bedrohungen und Risiken genau zu analysieren.

Es ist erfolgversprechender, seine Möglichkeiten und Ressourcen abzuwägen.

Es ist professioneller; sein Handeln zielgerichtet zu planen.

In Zeiten wie diesen sind Führungskräfte besonders gefordert. Sie übernehmen Verantwortung, treffen schwierige Entscheidungen. Drei Dinge können dabei helfen:

  1. Gut für sich selbst sorgen, die eigenen seelischen Belastungen gut verarbeiten. Jede und jeder hat seine eigenen Wege, um sich seelisch zu entlasten. Manche machen Sport, andere musizieren. Für einige ist die Familie ein wichtiger Rückhalt. Und wieder andere machen gar nicht oder lesen Bücher. Wenn all das nicht reicht, dann kann ein Coaching eine gute Möglichkeit sein, für sich selbst zu sorgen und den Kopf klar zu bekommen. Das Gespräch mit einem Außenstehenden, der genau zuhört und die richtigen Fragen stellt.
  2. Sich austauschen und Ideen und Unterstützung von anderen bekommen, die in einer ähnlichen Lage sind. Eine Krise lässt sich immer leichter bewältigen, wenn man seine Kontakte nutzen kann. Zum einen kann man meist beobachten, dass andere auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und vor ähnlich komplizierten Entscheidungen stehen. Zum andern ergeben sich im Austausch oft Gelegenheiten, Ideen, Kontakte, die man allein nicht gehabt hätte.
  3. Sich über den eigenen Kompass vergewissern. Manchmal hat man in der Krise keine Zeit zum Nachdenken, manchmal hat man plötzlich ganz viel Zeit dafür. Beides ist nicht ideal und verleitet zu Aktionismus. Deshalb ist es wichtig, sich in krisenhaften Situationen immer mal wieder zu vergewissern: Was sind meine Leitprinzipien? Wie treffe ich Entscheidungen? Wie vermittele ich sie? Dabei sind manche Erkenntnisse der Verhaltensökonomie nützlich. Denn unsere Entscheidungen unterliegen manchmal verzerrten Wahrnehmungen. So suchen wir oft z.B. unbewusst nur nach Informationen, die ohnehin unsere Meinung bestätigen (Bestätigungsfehler) oder wir ziehen willkürlich Schlüsse zwischen vermeintlichen Ursachen und vermeintlichen Wirkungen (Kausalfehler).

Für rationale Krisenbewältigung ist der Austausch mit anderen elementar. Austausch eröffnet Perspektiven, löst uns aus festgefahrenen Mustern und fängt uns emotional auf. Wir sind nicht allein. Allerdings nur, wenn dieser Austausch lösungsorientiert bleibt, gut strukturiert wird und von einem Grundgefühl von Vertrauen in die jeweiligen Fähigkeiten getragen ist. Genau das leistet Krisencoaching. Coaching ist getragen von einer emotional auffangenden, vertrauensvollen, lösungsorientierten Grundhaltung. Ist dies nicht gegeben, kann Austausch auch Angst verstärken, eine Abwärtsspirale in Gang setzen und Probleme noch größer erscheinen lassen.

Krisencoaching wirkt deshalb stabilisierend. Es mindert die emotionale Belastung und stärkt das Vertrauen in die eigenen Handlungsmöglichkeiten. Es grenzt scheinbar grenzenlose Problemlagen ein und schafft eine bessere Grundlage für Entscheidungen. Es unterstützt bei der Umsetzung. Und es hilft generell dabei, mit sich selbst in einer Krisensituation achtsam umzugehen.

Held oder Feigling – oder… was?

Wir sind derzeit alle zu Hause, die ganze Kernfamilie. Und: #WirBleibenZuhause. Das heißt, wir unterstützen all diejenigen, die derzeit die Grundversorgung, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheit aufrecht erhalten. Indem wir uns einschränken, versuchen wir, anderen keine unnötige Arbeit zu verursachen. Das ist nicht sehr heldenhaft im Vergleich zu dem, was andere gerade tun. Außerdem muss ich gestehen, dass die Welt da draußen bei mir Beklommenheit auslöst. Eine unsichtbare Bedrohung. Der Kontakt mit anderen ist alles andere als ungezwungen. Alle beobachten sich gegenseitig, halten Abstand, machen einen Bogen – oder eben gerade nicht. Entspannt ist anders. Perfekte Zeiten, um paranoid zu werden.

Nun halte ich mich aber nicht für einen Paranoiker, auch nicht für einen Sicherheitsfanatiker, sondern für jemanden, der versucht, sich vernünftig an Regeln zu halten, die ihm einleuchten. Und es ärgert mich, dass mir und uns von manchen zurückgespiegelt wird, wir würden es mit unserer Vorsicht doch arg übertreiben. Es ärgert mich sogar sehr. Nun – wenn es mich so sehr ärgert, dann trifft es vielleicht einen Punkt: Bin ich etwa ein Feigling?

Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten, instinktiv auf Bedrohungen zu reagieren: Weglaufen (Flucht), sich der Gefahr entgegen stellen (Kampf), oder sich einigeln (Erstarren). Unser Hirn muss in der Regel einiges an Arbeit leisten, um diese spontane Reaktion vernünftig zu überdenken, und dann eventuell alternative Handlungsweisen zu entwickeln. So kann der fliehende „Feigling“ auch zurückkehren, und den Kampf aufnehmen. Der streitbare „Held“ besorgt sich eine Schutzausrüstung. Und der erstarrte Igel checkt die Lage und sondiert, wann er sich sinnvollerweise bewegen sollte.

Nun müssen auch wir ab und zu Lebensmittel einkaufen. Dann stellt sich die Frage: Wer macht’s? Als Familienvater ist es mein erster Impuls, mich „schützend vor meine Familie zu werfen“ und zu sagen: Natürlich fahre ich. Hier kann ich ja wohl mal Held sein. Nun habe ich aber auch einen Sohn mit Führerschein, der anbietet, das zu übernehmen. Und ältere Verwandtschaft, die sich – obwohl Risikogruppe – standhaft weigert, sich unterstützen zu lassen. Da wäre es ja eher vorbildlich, wenn auch ich mir von jemand Jüngerem helfen lasse. Was also tun?

Kürzlich lief im Fernsehen ein Film, „Höhere Gewalt„, über eine Familie im Skiurlaub, die nur knapp einem Lawinenunglück entgeht. Im Moment der Gefahr kümmert sich die Mutter instinktiv um ihre beiden Kinder, während der Vater fortläuft. Nachdem die Gefahr gebannt ist, kehrt der Vater zur Familie zurück und alle tun so, als ob nichts geschehen wäre. Der Film lebte anschließend von der Spannung, wie die Familie damit klarkommt, dass in einem existenziellen Moment solch unterschiedliche Überlebensinstinkte zu Tage getreten sind.

Solche Momente erleben wir auch gerade, im Kleinen wie im Großen. Es ist klug, nicht einfach darüber hinwegzugehen. Solche Momente haben das Zeug uns langfristig zu beschäftigen.

Beim Einkaufen gibt es nun folgende Möglichkeiten:

  1. den Sohn fahren lassen, und sich dabei entweder ohnmächtig, wie ein Feigling oder Paranoiker zu fühlen – oder dies als vernünftige Entscheidung zu betrachten, die nicht nur im eigenen Interesse ist, sondern auch im Sinne der ganzen Familie und der Gesellschaft.
  2. selbst losfahren, und sich dabei entweder als Retter und Held fühlen, der furchtlos und unverwundbar hinaus in die Welt zieht – oder dies als vernünftige Entscheidung zu betrachten, weshalb man dann auch beim Einkaufen vernünftiges Verhalten zeigt (Abstand hält und z.B. einen Mundschutz trägt, selbst wenn man dafür schief angeschaut wird).
  3. sich als Vater mit seinem Sohn abwechseln,  um Risiko und „Heldenstatus“ gerecht zu verteilen – und zugleich versuchen, daraus keinen Wettbewerb entstehen zu lassen.
  4. gemeinsam fahren, ebenfalls um Risiko und „Heldenstatus“ untereinader gerecht zu verteilen – aber dabei zugleich das Gesamtrisiko zu erhöhen
  5. sich liefern lassen, das Problem auf andere abzuwälzen, dabei aber zugleich auf jeglichen Anteil an „Heldentum“ zu verzichten.

Richtig überzeugend finde ich nichts davon. Es scheint mir allerdings ein Merkmal dieser Krisenzeit zu sein, das plötzlich auch Kleinigkeiten ethisch aufgeladen sein können und uns irritierende Dilemmata bereiten.

Nur eins scheint klar: Wir brauchen vernünftige Helden, vernünftige Feiglinge und vernünftige Igel. Und wahrscheinlich kann jeder von uns mal das eine, mal das andere und mal das dritte sein.

Wie im U-Boot – Tipps für das Homeoffice von einem Experten des Lebens auf engstem Raum

Homeoffice war lange der Herzenswunsch vieler Berufstätiger, die sich nach mehr Freiheit, Selbstbestimmung und Flexibilität gesehnt haben. Aktuell wird Homeoffice in das genaue Gegenteil verkehrt. Freiheit? Selbstbestimmung? Eher die Gefahr von Isolation und Lagerkoller.

Im Internet kursieren gerade eine Reihe interessanter Tweets eines ehemaligen U-Boot-Fahrers, von dessen Erfahrungen des Lebens und Arbeitens auf engstem Raum wir vielleicht profitieren können. (Dank an den Podcast von Jan Böhmermann und Oli Schulz, dem ich diesen Hinweis entnommen habe, eine Zusammenfassung bietet der Independent.)

Hier die Alltagstipps aus dem Twitter-Account: Schaffe Dir eine Routine, erhalte Dir Privatsphäre, iss regelmäßig, trainiere, mach sauber, bleib in Kontakt mit der Außenwelt und bewahre Dir eine Zukunftsperspektive.

Tipp 1: Routine

Tipp 2: Privatsphäre

Tipp 3: Essen

Tipp 4: Training

Tipp 5: Sauber machen

Tipp 6: In Kontakt bleiben

Tipp 7: Eine Zukunftsperspektive bewahren („Es wird vorüber gehen…“)


Resilienzmanagement

Mit großer Sympathie und ein wenig Erstaunen beobachte ich gerade, dass die weit überwiegende Mehrheit der Bewölkerung ziemlich sachlich und gelassen auf den drastisch veränderten Alltag reagiert. Jedenfalls habe ich dieses Bild, wenn ich meine persönlichen Gespräche und die mediale Berichterstattung in meiner persönlichen Filterblase als Basis nehme. Damit war nach den zunehmend aufgehitzten Debatten über – wie wir heute wissen – Nebensächlichkeiten in den Monaten davor nicht unbedingt zu rechnen. (Einnert sich noch jemand an die AfD? Nein?) Hoffen wir, dass das so bleibt.

Für den Moment jedenfalls hat man den Eindruck, dass die meisten Menschen ausgesprochen resilient reagieren. Sie haben eine belastbare psychische Widerstandsfähigkeit. Sie nutzen ihre Kreativität, ihre sozialen Kontakte (auf Distanz) und neue Techniken um die Krise zu meistern.

Die Resilienz von Unternehmen hingegen scheint oft schneller an ihre Belastungsgrenzen zu kommen. Aktuell erleben wir das besonders drastisch am Beispiel der Krankenhäuser. Hier ist derzeit z.B. die Versorgung mit Grundausstattungen wie Schutzmasken nicht gesichert. Das ist die Konsequenz einer Umstellung der Krankenhaussteuerung, die in der Tendenz abrückt von medizinischen Prioritäten und sich hinbewegt zu ökonomischen. Ganz praktisch heißt es nämlich, dass bei der Anschaffung von Schutzausrüstung die Funktionalität und die Bevorratung im Vergleich zu Anschaffungs- und Lagerungskosten immer weniger Bedeutung haben. Sprich: es werden nur so viel und möglichst günstige Masken und Handschuhe gekauft, wie ein Krankenhaus für den Regelbetrieb braucht. Diese Umsteuerung ist ein schleichender Prozess, der seit Jahren anhält. Er geht nur so lange gut, wie er durch Engagement und Innovationsbereitschaft des Personals aufgefangen wird – und so lange es keine größeren Krisen gibt. Ich kenne Krankenhäuser, die sich jetzt bemühen, Einweg-Masken notdürftig zu sterilisieren, um überhaupt Material zu haben. Und die froh sind, überhaupt noch über Sterilisationstechnik zu verfügen und diese nicht auch bereits aus Kostengründen abgeschafft zu haben.

In der einen oder anderen Form sind zahlreiche Unternehmen von ählichen Effekten betroffen. Mit Nachdruck werden nun gigantische Rettungsschirme für die Wirtschaft gefordert und im Eiltempo bewilligt. Eine Konsequenz der Krise könnte sein, dass die Just-in-Time-Logik, die Trimmung auf Effizienz aller Arbeitsprozesse neu bewertet werden muss. Wir brauchen mehr Puffer.

In der Personal- und Organisationsentwicklung spielt das Thema Resilienz seit einigen Jahren eine immer wichtigere Rolle. Oft ist es jedoch vorrangig mit der Idee verknüpft, dass das Personal befähigt werden soll, resilient auf Veränderungen zu reagieren. Dafür gibt es unzählige Angebote: Resilienztrainings, Achtsamkeitsübungen usw. Alles gut und wichtig. Doch der Fokus muss sich erweitern: Organisationen brauchen ein Resilienzmanagement, das verhindert, dass alles auf Kante genäht wird.

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Der Pessimist in mir lässt sich leider nicht ganz still legen. Vielleicht bekommen wir auch in ein paar Tagen alle einen kollektiven Lagerkoller. Vielleicht kommen dann auch die Populisten wieder aus der Versenkung. Und vielleicht werden langfristig die Spielregeln des ökonomischen Wettbewerbs wieder alle Erfahrungen mit der Krise zunichte machen. Wir sollten versuchen, dagegen zu halten.

Selbstorganisation? Hierarchische Führung? Hmm…

Selbstorganisation ist etwas Großartiges. Als Freiberufler betrachte ich sie schon aus ganz egoistischen Motiven als hohes Gut.

Doch schon lange vor der Corona-Pandemie haben der Kollege Rainer Witzel und ich uns kritisch mit dem Hype um diese Idee auseinander gesetzt, unter anderem mit einem Artikel „Last Exit Selbstorganisation“ sowie einigen Texten über Agilität (in den „Positionen“ sowie im „Coaching-Magaztin„). Selbstorganisation wurde zuletzt fast als Allheilmittel gefeiert: gegen verkrustete Organisationsstrukturen, gegen Frust über Führungshandeln oder als Patentrezept zur Anpassung an verschärften Wettbewerb und die VUKA-Welt. (VUKA steht für: volatil, unsicher, komplex, ambivalent, d.h. für die Vorstellung, dass die Welt auf unterschiedliche Weise immer unübersichtlicher wird.)

Ohne Zweifel kann eine Organisationsentwicklung, die auf Selbstorganisation setzt, nicht nur zweckmäßig sein, sondern auch emanzipatorische Kräfte entfalten. Prinzipiell ist es eine attraktive Vorstellungen, Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen die Menschen so selbstbestimmt wie möglich handeln können.

Doch aktuell sehen wir, wie eigentlich immer wieder im Leben, dass alles seine zwei Seiten hat. Zum Glück und notwendigerweise sind schon immer in Bereichen der Krisenbewältigung die Aufgaben top-down organisiert: Feuerwehr, Notaufnahmen,…. Das fällt einem im Alltag nur nicht so auf. Dezeit allerdings zeigt sich flächendeckend, wie vorteilhaft es sein kann, wenn Entscheidungsketten und Hierarchiestufen klar festgelegt sind und nicht ständig neu verhandelt werden.

Das Wort Selbstorganisation enthält eben auch das Wort Organisation. Und dies beinhaltet, dass viel Zeit und Meta-Kommunikation darauf verwendet wird, wer genau wann wofür die Verantwortung übernimmt. Nur: manchmal hat man diese Zeit und Ruhe eben nicht. Dann ist es gut, wenn jemand Führungsverantwortung übernimmt und top down Entscheidungen trifft, auch wenn sie nicht allen passen.

Die demokratische Verfasstheit unseres Landes ermöglicht es, spätestens im Nachhinein in Ruhe zu prüfen, ob sich die (gewählten) Führungskräfte angemessen und korrekt verhalten haben und ob sie die richtigen Entscheidungen getroffen haben. So ähnlich machen es auch andere Berufsgruppen, z.B. Kriseneinsatzkräfte oder Piloten. Diskutiert und Rechenschaft abgelegt wird im Nachhinein. Bis dahin haben Führungskräfte hier einen Vertrauensvorschuss verdient, so lange sie sich nichts sofort erkennbar Gravierendes zu Schulden kommen lassen.

Platz für Selbstorganisation ist dennoch. Das zeigen all die großen und kleinen Initiativen, die derzeit aus dem Boden sprießen, um kreative Ideen zur Bewältigung des neuen Alltags zu entwickeln und umzusetzen: sei es unter dem Dach des Hackathons „#WirvsVirus“, sei es der lokal organisierte Einkaufsservice z.B. in den Digitalen Dörfern. Selbstorganisation ist hier die Reaktion auf von oben angeordnete restriktive Maßnahmen – und zwar interessanterweise mit dem Ziel, diesen Maßnahmen zum Erfolg zu verhelfen. Nicht subversiv, gegen „die Mächtigen“.

Vielleicht gelingt es uns künftig, die Frage des Verhältnisses zwischen Hierarchie und Selbstorganisation in der Arbeitswelt mit diesen Erfahrungen etwas weniger ideologisch zu beantworten – weder mit dem simplen und gefährlichen Ruf nach „starken Männern“, noch mit einem allzu beliebigen oder verklärten Blick auf Selbstorganisation. Es kommt immer auf den Kontext an.

Bei aller Kritik an Details, an Fehlern der Vergangenheit bei der Organisation des Gesundheitswesens, bei aller Sorge um die wirtschaftliche Zukunft und bei allem Mitgefühl für die unmittelbar Betroffenen: Ich persönlich bin jedenfalls sehr froh zu sehen, wie gut die Institutionen dieses Staates in der Krise bislang funktioneren und wie selbstverständlich die verschiedenen Entscheidungsträger ihre Verantwortung wahrnehmen und bereit sind, schwierige Entscheidungen zu treffen. Respekt.

Corona-Pandemie vs. Klimawandel

In den letzten Tagen lässt sich beobachten, wie gemeinsames entschlossenes Handeln von Führungskräften aus den unterschiedlichsten Bereichen (Politik, Wissenschaft, Wirtschaft usw.) eine Gesellschaft in kürzester Zeit in einen anderen Zustand transformiert. Und dies auf Grund einer Bedrohung, die heute (Stand: 21.3.20 um 14.30 h, ca. 21.000 Infizierte und ca. 70 Verstorbene) nur die wenigsten hautnah als reale Gefahr erlebt haben.

Darüberhinaus geschieht sogar weltweit Vergleichbares: Unzählige Staaten setzen Maßnahmen durch, die bis vor wenigen Tagen unvorstellbar schienen, und finden dafür glücklicherweise den Beifall einer überwiegenden Mehrheit ihrer Bevölkerungen.

Bezüglich des Klimawandels lässt sich ein solch massives Umsteuern nicht beobachten, obwohl eine ähnlich eindeutige Faktenlage hierfür ein Umsteuern genauso dringend ratsam erscheinen lässt. Wieso ist das so?

Ich vermute, es gibt drei wesentliche Unterschiede:

  1. Wir gehen vermutlich alle davon aus, dass die Corona-Pandemie eine Ausnahme bleiben wird und wir danach zum Status Quo ante zurückkehren können. (Danke für diesen Hinweis an Anja Lothschütz, Klaus Gourgé, Eike Wenzel). Ob das stimmt, bleibt abzuwarten. Aber noch prägt es unser Denken und Handeln.
  2. Die Corona-Pandemie ist ein unmittelbarer Angriff auch unseren Körper und unsere Gesundheit; noch dazu auf ein Organ, dessen Funktion lebenswichtig ist und dessen wir uns vergleichsweise häufiger bewusst sind: die Lunge. Der Klimawandel betrifft die Umwelt, das Außen – selbst wenn seine Folgen auch für uns körperlich spürbar oder gar tödlich sein können/werden/sind.
  3. Der Kampf gegen Corona erzeugt Helden. Ärzte, Pflegepersonal, Kassiererinnen, all diejenigen, die derzeit zu Recht (!) Beifall und Unterstützung bekommen, sind Identifikationsfiguren in einem Rettungsdrama. Eine vergleichbare theatralische Dynamik hat der Klimawandel bislang nicht zu bieten. Seine Helden sind eher nervende Mahner.

Dennoch ist zu hoffen, dass der Mut, gesellschaftliche Veränderungen in Angriff zu nehmen, nach einer erfolgreichen Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht zum Erliegen kommt, und für Ziele wie den Klimaschutz und die Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit genutzt wird. Und dies natürlich auf demokratischer Grundlage. Die Gesellschaften zeigen gerade, dass sie zu vielem bereit und in der Lage sind.

Die Zukunft von Supervision und Coaching

,Vor dem Jahreswechsel wurden einige Kollegen und ich von der Redaktion der Zeitschrift „Supervision“ eingeladen, uns Gedanken über die Zukunft der Supervision zu machen. Zwischenzeitlich habe ich dazu einen Beitrag verfasst, der im Kern sowohl Supervision als auch Coaching eine goldene Zukunft verspricht, sofern Supervisor/innen und Coaches es schaffen, zeitgemäße Angebote zu machen.

Wieso goldene Zukunft? Weil das Bedürfnis nach Resonanz steigt und weil es immer wichtiger wird, mit Unsicherheit, Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten umzugehen. Immer mehr Menschen suchen auch in der Arbeitswelt andere Formen der Gestaltung von Arbeitsbeziehungen, in denen sie die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, von wechselseitigem innerlichem Berührt-werden, von echter Resonanz im Sinne von Hartmut Rosa machen. Und – Corona führt es uns anschaulich und schmerzlich vor Augen – die Welt ist VUCA geworden: volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Deshalb wird der Bedarf nach professionell gestalteten Möglichkeiten der Reflexion zunehmen. Und trotz Corona bin ich davon überzeugt, dass langfristig diese Trends anhalten werden.

Dennoch fühlt es sich gerade so an, als sei es Monate her, dass ich diesen Beitrag für die „Supervision“ geschrieben hätte. Die Krise macht deutlich, dass Coaching und Supervision Angebote sind, von denen ich und meine Kolleginnen und Kollegen zwar glauben, dass sie essentiell sind. Existenziell sind sie aber nicht: Coachings und Supervisionen werden gerade reihenweise abgesagt. Und zwar nicht nur aufgrund von Social Distancing. Das ließe sich problemlos durch Telefon- oder Online-Coaching in den Griff bekommen. Nein: Anderes ist einfach viel wichtiger: Grundversorgung und Krisenmanagement.

Allerdings: Ich habe die (leise) Hoffnung, dass dann, wenn wir das gröbste überstanden haben, tatsächlich die große Stunde für all diejenigen schlägt, die ein Innehalten für sinnvoll halten und bereit sind, dafür Zeit und Ressourcen aufzuwenden.

Aufgabe von uns als Coaches und Supervisor/innen ist es deshalb jetzt, selbst erst einmal herunterzufahren. Beobachten, verstehen, was passiert. Nach der Krise einfach nur das selbe weitermachen, halt eben online, das wird wohl nicht reichen.

Wieso eigentlich Toilettenpapier?

Eines der ersten Anzeichen dafür, dass die Pandemie sich auf das Verhalten großer Teile der Bevölkerung auswirkt, waren die leergeräumten Regale in den Supermärkten, auf denen sich sonst Toilettenpapier stapelte. Sehr schnell wurde daraufhin Unverständnis geäußert, wieso ausgerechnet Toilettenpapier gehortet wurde. Dabei scheint es mir ziemlich leicht erklärbar zu sein – zumal ja auch viele andere Hygieneartikel deutlich stärker nachgefragt waren und sind.

Der Virus ist eine unsichtbare Gefahr, die unseren Körper nicht nur von außen bedroht, sondern in unseren Körper eindringt. Der mehr oder weniger unbewusste Bedürfnis, sich diese Bedrohung im wörtlichen Sinne vom Leib zu halten, ist ja nicht nur nachvollziehbar, sondern auch vernünftig. Der Wunsch, ausreichend mit Toilettenpapier versorgt zu sein, steht aus meiner Sicht nur stellvertretend für den Drang, bedrohliche Fremdkörper auszuscheiden und gründlich zu beseitigen.

mindshaker allein zu Haus

#WirBleibenZuhause: Wie viele andere auch, bin ich derzeit im Home Office. Termine werden reihenweise abgesagt – einige Termine sage ich selbst ab, um dem Gebot der Stunde zu folgen: social distancing. Andere wiederum leisten da draußen gerade Großartiges: Sie sichern die Grundversorgung, organisieren die Krisenbewältigung und helfen erkrankten Menschen. Hut ab und danke dafür!

Ganz untätig sein will ich aber auch nicht. Über mindshaker bieten wir derzeit kostenlos psychologische Unterstützung und ein offenes Ohr für all diejenigen an, die von der Pandemie ganz unmittelbar betroffen sind: Patientinnen und Patienten, Angehörige, medizinisches Personal.

Darüber hinaus habe ich mich entschieden, neben dem Aktionismus, der gerade all diejenigen befällt, die ihre berufliche Existenz sichern wollen (also auch mich), mehr von dem zu tun, was ich recht gut kann: Ich will versuchen, Abstand zu gewinnen, inne zu halten und darüber nachzudenken, was die Corona-Pandemie bedeutet. Und diese Gedanken sollen hier in diesem Blog festgehalten werden.

Wenn Sie in der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain wohnen und sich durch die aktuelle Corona-Krise seelisch belastet fühlen: Melden Sie sich einfach. Wir bieten ein offenes Ohr und psychologische Beratung, wenn Sie sich Sorgen um Ihren Arbeitsplatz machen, wenn Sie viel allein sind und (zu) viel Zeit zum Grübeln haben oder wenn Sie schwierige Entscheidungen treffen müssen. Telefonisch oder per Videochat. Kostenlos und ehrenamtlich. Nehmen Sie gerne per Mail Kontakt auf: re@mindshaker.de. Wir melden uns dann so schnell wie möglich.

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