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COVID 19 fordert Opfer. Das ist furchtbar. Die Pandemie verlangt manchen Berufsgruppen alles ab, andere sind eher gelangweilte Beobachter. Das ist ungerecht. In Deutschland wird die ökonomische Krise bislang durch erhöhte Staatsausgaben abgefedert. Das ist nicht erfreulich und keine dauerhafte Lösung. Andere Staaten sind durch die Pandemie deutlich schlimmer gebeutelt oder werden wohl erst in einigen Wochen mit Wucht davon getroffen werden. Das ist schrecklich. Und natürlich gehen die Einschränkungen an unserer Psyche nicht spurlos vorbei, manche leiden akut. Was das langfristig bedeutet, wird man noch sehen.

Und trotzdem: In ganz stillen Momenten wünsche ich mir manchmal, dieser Ausnahmezustand würde uns noch ein wenig erhalten bleiben – als Gelegenheit, einmal inne zu halten.

Bildlich gesprochen hat uns die Vollbremsung auf der Autobahn des Arbeitslebens ordentlich durchgeschüttelt. Wir sehen die Rettungskräfte bei der Arbeit und versuchen zu erkennen, was den Stau verursacht hat und wie lange es sich wohl noch ziehen wird. Doch die Frage ist, ob wir jetzt, wo der Aufprall fürs Erste vermieden wurde, einfach wieder Gas geben und versuchen, uns am Hindernis vorbeizuschlängeln, um dann möglichst rasch wieder mit Vollgas zu fahren.

Vielleicht wäre es klüger, sinnvoller und auch für die Seele besser, einmal anzuhalten, auszusteigen, durchzuatmen, sich die Umgebung anzuschauen und zu überlegen, wie oder ob wir die Fahrt fortsetzen wollen. Vielleicht wäre es ja viel angenehmer, die Autobahn zu verlassen. Oder ein ganz anderes Fahrtziel zu wählen.

Die Zeit ist vermutlich zu kurz, als dass ein wirklich grundsätzliches Nachdenken über viele Themen schon eingesetzt hätte, für die die aktuelle Situation eigentlich eine Steilvorlage liefert: Welche Arbeiten und Tätigkeiten haben einen zu niedrigen, welche einen zu hohen gesellschaftlichen Stellenwert? Wieviel Konsum brauchen wir? Wieviel Mobilität wollen wir? Wie können wir den Zusammenhalt stärken? Was würden wir tun, wenn uns die Zeit dafür geschenkt würde? Das sind alles keine neuen Fragen. Aber es sind plötzlich keine abstrakten Gedankenspiele mehr, sondern wir machen hierzu reale Erfahrungen. Und auch für Unternehmen und Berufstätige kann die Vollbremsung so zu einem Geschenk werden: Einem Geschenk, das in der intensiven Auseinandersetzung mit der Frage besteht: Wofür wollen wir stehen? Was ist mir, was ist uns wirklich wichtig?

Ich glaube, wir könnten es irgendwann zutiefst bedauern, wenn wir das nach Corona einfach abhaken und so weitermachen wie zuvor.

PS: Kleiner Werbeblock – das muss an dieser Stelle einfach sein: Genau dafür ist Coaching da – für gründliches Nachdenken.

Tipps zum Leben und Arbeiten in der Pandemie IV

Wenn Sie in Ihren Online-Meetings und Videokonferenzen schon alle Bücherregale, Wandschränke und Hintergrundmotive der Kollegen ausreichend begutachtet haben und auf der Suche nach etwas frischem Wind für Ihre virtuellen Besprechungen sind, hat eine Farm aus Kalifornien möglicherweise etwas für Sie: Goat 2 Meeting.

In Anspielung auf die Besprechungssoftware GotToMeeting bietet diese Farm die Möglichkeit, gegen eine Spende ein Lama, eine Ziege oder ein anderes Tier zu Ihrem Online-Meeting dazuzuschalten. Offenbar mit großem Erfolg: Es sind aktuell nur noch wenige Zeitfenster buchbar. Vermutlich sorgen die Tiere automatisch für gute Stimmung. Und sie machen sicher die Besprechung zu einem Anlass, auf den man wirklich neugierig ist.

Im Moment wird reichlich politische und beraterische Lyrik produziert. Es ist viel von der „Krise als Chance“ die Rede. Ein sprachliches Motiv, das man so langsam nicht mehr hören kann. Ja, natürlich, da ist was dran: Krisen sind Wendepunkte und Zuspitzungen. Nach der Krise wird es Opfer, Verlierer und Gewinner der Krise geben und die Gewinner werden diejenigen sein, die die Chancen genutzt haben oder im Nachhinein behaupten, sie hätten die Chancen genutzt, obwohl ihnen vielleicht auch nur der Zufall in die Hände gespielt hat. Die Resilienzforschung zeigt auch, dass Optimismus, Lösungsorientierung und der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit wesentlich dazu beitragen, dass man eine Krise besser bewältigt. Und ganz objektiv weichen Krisen festgefahrene Situationen auf. In Krisen ist vieles möglich, was zuvor unmöglich schien. Insofern will ich gar nicht behaupten, es sei falsch, eine Krise auch als Chance zu sehen.

Irritierend finde ich jedoch zweierlei: Ich werde erstens den Eindruck nicht los, dass „Krise als Chance“ eine Marketing- und Beschwörungsformel geworden ist. Mit ihr wird umstandlos der Sprung in eine bessere Zukunft versucht. Dabei – auch das zeigt uns die Resilienzforschung – gehört zur Krisenbewältigung neben dem Optimismus auch die Akzeptanz. Zunächst einmal müssen wir anerkennen, dass wir ein Problem haben. Dieses zu ignorieren, zu verdrängen, zu leugnen, ist sowohl seelisch als auch für politische oder unternehmerische Entscheidungen nicht klug.

Zweitens werden mit der Floskel manch romantische Szenarien entwickelt, die bei nüchterner Betrachtung ziemlich unrealistisch erscheinen. Die Krise wird als natürlicher Ausgangspunkt für Veränderungen gedeutet, die zwar wünschswert sind, aber keineswegs ursächlich durch die Krise initiiert werden: eine ökologischere Wirtschaft zum Beispiel oder eine bessere Bezahlung für Pflegepersonal.

Hierzu ein ketzerischer Gedanke: Wenn Pflegekräfte besser bezahlt werden wollten, wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt zum Streik. Das wäre mal ein Nutzen der Krise als Chance! So ähnlich, wie Flugpersonal in der Zeit vor den großen Urlaubswellen das größte Drohpotenzial nutzt. Aber ist das wirklich gemeint, wenn überall von Krise als Chance gesprochen wird? Geht es hier wirklich um grundsätzliches gesellschaftliches Umdenken, oder ist das Motiv „Krise als Chance“ nicht eher denen vorbehalten, die nun im Rahmen des Bestehenden nach Geschäftsgelegenheiten und Wettbewerbsvorteilen suchen? Ich schließe mich gern mit ein: Auch bei mindshaker versuchen wir, uns auf die veränderte Situation einzustellen und unter anderem mit Online-Coaching und Webinaren die Marktposition zu erhalten oder auszubauen. In einem marktwirtschaftlichen Umfeld ist das notwendig und innovationsfördernd. Aber im Kern ist es mehr vom selben.

Selbstverständlich werden Pflegekräfte jetzt gerade nicht streiken, ihr Berufsethos legt eher Pflichtbewusstsein nahe. In Wahrheit sind wir alle heilfroh, dass wir auf dieses Pflichbewusstsein bauen können. Und das werden wir wohl auch nach der Krise tun. Krise als Chance, das ist ein Motiv für Privilegierte, für diejenigen, die auch die Ressourcen und die Freiheit haben, die Chancen zu nutzen. Das Pflegepersonal, die Kassiererinnen und die Paketboten erhalten Applaus und vielleicht einen einmaligen Bonus. Mehr Chancen erhalten sie wohl nicht.

Sind wir dabei, eine einmalige Chance zu verpassen? Über die Rückkehr der Politiker und das Warten auf das Politische

In der Bekämpfung der Corona-Pandemie erleben wir gerade eine bemerkenswerte Rückkehr von Politikerinnen und Politikern. Eine Große Koalition, die zuvor im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt war und hilflos gegenüber populistischen Attacken erschien, zeichnet sich durch eine erstaunliche Handlungsfähigkeit aus. Es werden Entscheidungen in Größenordnungen getroffen, die vorher unvorstellbar schienen, und zwar sowohl hinsichtlich der Finanzen als auch hinsichtlich der unmittelbaren Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen. Dafür erhalten die zentralen Akteure außerdem bislang große Zustimmung – auch von mir.

Allerdings zeigt sich nach und nach: Es ist eine Rückkehr der Politiker und leider noch keine Rückkehr des Politischen. Was ist der Unterschied? Das Handeln der Politiker ist bisher im Wesentlichen Krisenmanagement. Es ist auf die akute Bedrohungslage bezogen. Wenig erkennbar ist, ob daraus auch ein echtes politisches Handeln wird, eine zukunftsgerichtete Gestaltung der Gesellschaft – und wenn ja, in welche Richtung.

Von vielen Journalisten, Interessenvertretern, Wissenschaftlern, NGO-Repräsentanten werden inzwischen Vorschläge gemacht, welche Lehren aus der Bedrohung gezogen und welche Chancen ergriffen werden sollten: von der besseren Entlohnung systemrelevanter Berufe über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens und Steuersenkungen oder Steuererhöhungen oder Umverteilung bis hin zu klimapolitischen Maßnahmen oder gemeinsamen Euro-Bonds als Zeichen europäischer Solidarität. Es ist alles dabei, was es zuvor auch schon an Vorschlägen gab.

Die derzeit wichtigen politischen Akteure allerdings, also diejenigen, die reale Macht haben und gerade auch nutzen, schweigen. Äußerungen kommen höchstens von Ehemaligen, Hinterbänklern oder aus den Oppositionsparteien. Es ist keineswegs erkennbar, ob aus dieser Krise tatsächlich relevante Impulse jenseits der Krisenbewältigung und des Wiederaufbaus folgen.

Das wäre zutiefst bedauerlich. Denn leider bergen Krisen die Gefahr, dass genau diejenigen daraus gestärkt hervorgehen, die auch vorher schon mit Handlungsmöglichkeiten und Ressourcen (wie Geld, medialem Einfluss, Kontakten) besser ausgestattet waren. Krisengewinnler sind gerade diejenigen, die die Schwächung von anderen nutzen. Wer jetzt Geld hat, kauft notleidende Unternehmen auf. Wer jetzt gute Verbindungen hat, schafft Netzwerke für die Nutzung der zu erwartenden Konjunkturprogramme nach der Krise. In den USA wurden zuletzt mitten in der Krise die Anforderungen an die Klimafreundlichkeit von Autos sogar gesenkt.

Pflegerinnen, Ärzte, Supermarktkassiererinnen und Paketboten werden von dieser Krise nicht profitieren, wenn nicht politische Rahmenbedingungen gesetzt werden, die genau das vorsehen – und zwar als bewussten Eingriff in freie Märkte. Denn es gibt keinen Grund anzunehmen, dass nach der Krise der freie Markt die Frage der Bezahlung dieser Tätigkeiten anders regeln wird als vorher.

Natürlich gibt es zahlreiche Unternehmen, die durchaus bereit sind, selbst in eine klimapolitisch sinnvollere und sozial gerechtere Gesellschaft zu investieren. Viele sind auch bereit, dafür auf einige Prozentsätze ihrer Gewinne zu verzichten. Aber man darf sich nichts vormachen. Aus eigener Kraft können sich einzelne Unternehmen nur sehr begrenzt gegen die Logik von Marktmechanismen und Verdrängungswettbewerben stemmen. Wenn wir europäische Solidarität, bessere Arbeitsbedingungen für bestimmte Berufsgruppen oder umweltfreundliche Produktionsprozesse haben wollen, dann braucht es dafür politische Setzungen. Dazu besteht derzeit eine vielleicht einmalige Chance.

Im Moment haben die politischen Entscheidungsträger ihre Machtposition enorm ausgebaut. Glücklicherweise muss man nicht den Eindruck haben, dass sie damit missbräuchlich umgehen. Auch sind die demokratischen Kontrollmechanismen ja nicht außer Kraft gesetzt. Die Parlamente funktioneren, die freie Presse ist frei wie immer, jeder Einzelne kann sich äußern – so wie ich es hier tue. Ich sehe in der Rückkehr der Politiker derzeit eher eine Chance, dass auch das Politische wieder mehr Einfluss gewinnt. Dass wir als Gesellschaft wieder mutiger werden, große Richtungsentscheidungen zu treffen. Dazu muss allerdings die Debatte darüber, welche Richtung wir einschlagen, bald auch von der Politik der ersten Reihe aufgegriffen werden. Sonst bleibt es ein Sturm im Wasserglas, der irgendwann in den Feuilletons und dann wieder in den populistischen Parteien landet.

Manchmal tut es gut, gezielt nach guten Nachrichten zu suchen.

Hier einige Links zu bemerkenswerten good news (mein Sohn hat mich auf die Idee gebracht):

Perspective Daily – eine Initiative für konstruktiven Journalismus (deutsch)

Good News Network – eine Plattform für gute Nachrichten aus aller Welt (englisch und spanisch)

SomeGoodNews – Youtube-Channel des Schauspielers John Krasinski (englisch)

Als Führungskraft durch die Krise – z.B. mit Hilfe von Krisencoaching

Die Corona-Pandemie und die enormen Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens stellen uns vor ungekannte Herausforderungen. Wir ahnen oder erleben bereits, dass die aktuelle Krise tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen wird. Wir können aber noch keineswegs absehen, wie die Welt in zwei Wochen, zwei Monaten oder zwei Jahren aussehen wird. Nur eins ist sicher: dass vieles gerade unsicher ist.

Klar ist allerdings auch, dass es erfolgreiche und weniger erfolgreiche Methoden gibt, Krisen zu verarbeiten. Sich Unterstützung durch Krisencoaching zu suchen, ist eine erfolgreiche Methode zur Krisenbewältigung.

Krisen haben immer zwei Ebenen: die reale Gefahr bzw. Herausforderung und die emotionale Bewertung und Reaktion.

Prinzipiell reagieren Menschen auf Bedrohungen zunächst instinktiv. Oft erst durch Verleugnung, und wenn die Bedrohung akut wird und nicht mehr zu leugnen ist, durch Kampf, Flucht oder Schockstarre. Erst mit Verzögerung setzt rationale Krisenbewältigung ein. Manchmal zu spät. Manchmal auch gar nicht. In der Steinzeit waren die spontanen Reaktionen angemessene Verhaltensmuster – und auch heute können es wichtige Überlebensimpulse sein. Doch für den Umgang mit eher abstrakten Gefahren ist es unklug, sich nur auf seine Instinkte zu verlassen. Angst ist kein guter Ratgeber.

Angst ist außerdem unproduktiv. Angst kann lähmen und zu Passivität führen. Oder zu Aktionismus – unfokussierter Beschäftigung als Vermeidungsstrategie.

Es ist besser, die Bedrohungen und Risiken genau zu analysieren.

Es ist erfolgversprechender, seine Möglichkeiten und Ressourcen abzuwägen.

Es ist professioneller; sein Handeln zielgerichtet zu planen.

In Zeiten wie diesen sind Führungskräfte besonders gefordert. Sie übernehmen Verantwortung, treffen schwierige Entscheidungen. Drei Dinge können dabei helfen:

  1. Gut für sich selbst sorgen, die eigenen seelischen Belastungen gut verarbeiten. Jede und jeder hat seine eigenen Wege, um sich seelisch zu entlasten. Manche machen Sport, andere musizieren. Für einige ist die Familie ein wichtiger Rückhalt. Und wieder andere machen gar nicht oder lesen Bücher. Wenn all das nicht reicht, dann kann ein Coaching eine gute Möglichkeit sein, für sich selbst zu sorgen und den Kopf klar zu bekommen. Das Gespräch mit einem Außenstehenden, der genau zuhört und die richtigen Fragen stellt.
  2. Sich austauschen und Ideen und Unterstützung von anderen bekommen, die in einer ähnlichen Lage sind. Eine Krise lässt sich immer leichter bewältigen, wenn man seine Kontakte nutzen kann. Zum einen kann man meist beobachten, dass andere auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und vor ähnlich komplizierten Entscheidungen stehen. Zum andern ergeben sich im Austausch oft Gelegenheiten, Ideen, Kontakte, die man allein nicht gehabt hätte.
  3. Sich über den eigenen Kompass vergewissern. Manchmal hat man in der Krise keine Zeit zum Nachdenken, manchmal hat man plötzlich ganz viel Zeit dafür. Beides ist nicht ideal und verleitet zu Aktionismus. Deshalb ist es wichtig, sich in krisenhaften Situationen immer mal wieder zu vergewissern: Was sind meine Leitprinzipien? Wie treffe ich Entscheidungen? Wie vermittele ich sie? Dabei sind manche Erkenntnisse der Verhaltensökonomie nützlich. Denn unsere Entscheidungen unterliegen manchmal verzerrten Wahrnehmungen. So suchen wir oft z.B. unbewusst nur nach Informationen, die ohnehin unsere Meinung bestätigen (Bestätigungsfehler) oder wir ziehen willkürlich Schlüsse zwischen vermeintlichen Ursachen und vermeintlichen Wirkungen (Kausalfehler).

Für rationale Krisenbewältigung ist der Austausch mit anderen elementar. Austausch eröffnet Perspektiven, löst uns aus festgefahrenen Mustern und fängt uns emotional auf. Wir sind nicht allein. Allerdings nur, wenn dieser Austausch lösungsorientiert bleibt, gut strukturiert wird und von einem Grundgefühl von Vertrauen in die jeweiligen Fähigkeiten getragen ist. Genau das leistet Krisencoaching. Coaching ist getragen von einer emotional auffangenden, vertrauensvollen, lösungsorientierten Grundhaltung. Ist dies nicht gegeben, kann Austausch auch Angst verstärken, eine Abwärtsspirale in Gang setzen und Probleme noch größer erscheinen lassen.

Krisencoaching wirkt deshalb stabilisierend. Es mindert die emotionale Belastung und stärkt das Vertrauen in die eigenen Handlungsmöglichkeiten. Es grenzt scheinbar grenzenlose Problemlagen ein und schafft eine bessere Grundlage für Entscheidungen. Es unterstützt bei der Umsetzung. Und es hilft generell dabei, mit sich selbst in einer Krisensituation achtsam umzugehen.

Held oder Feigling – oder… was?

Wir sind derzeit alle zu Hause, die ganze Kernfamilie. Und: #WirBleibenZuhause. Das heißt, wir unterstützen all diejenigen, die derzeit die Grundversorgung, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheit aufrecht erhalten. Indem wir uns einschränken, versuchen wir, anderen keine unnötige Arbeit zu verursachen. Das ist nicht sehr heldenhaft im Vergleich zu dem, was andere gerade tun. Außerdem muss ich gestehen, dass die Welt da draußen bei mir Beklommenheit auslöst. Eine unsichtbare Bedrohung. Der Kontakt mit anderen ist alles andere als ungezwungen. Alle beobachten sich gegenseitig, halten Abstand, machen einen Bogen – oder eben gerade nicht. Entspannt ist anders. Perfekte Zeiten, um paranoid zu werden.

Nun halte ich mich aber nicht für einen Paranoiker, auch nicht für einen Sicherheitsfanatiker, sondern für jemanden, der versucht, sich vernünftig an Regeln zu halten, die ihm einleuchten. Und es ärgert mich, dass mir und uns von manchen zurückgespiegelt wird, wir würden es mit unserer Vorsicht doch arg übertreiben. Es ärgert mich sogar sehr. Nun – wenn es mich so sehr ärgert, dann trifft es vielleicht einen Punkt: Bin ich etwa ein Feigling?

Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten, instinktiv auf Bedrohungen zu reagieren: Weglaufen (Flucht), sich der Gefahr entgegen stellen (Kampf), oder sich einigeln (Erstarren). Unser Hirn muss in der Regel einiges an Arbeit leisten, um diese spontane Reaktion vernünftig zu überdenken, und dann eventuell alternative Handlungsweisen zu entwickeln. So kann der fliehende „Feigling“ auch zurückkehren, und den Kampf aufnehmen. Der streitbare „Held“ besorgt sich eine Schutzausrüstung. Und der erstarrte Igel checkt die Lage und sondiert, wann er sich sinnvollerweise bewegen sollte.

Nun müssen auch wir ab und zu Lebensmittel einkaufen. Dann stellt sich die Frage: Wer macht’s? Als Familienvater ist es mein erster Impuls, mich „schützend vor meine Familie zu werfen“ und zu sagen: Natürlich fahre ich. Hier kann ich ja wohl mal Held sein. Nun habe ich aber auch einen Sohn mit Führerschein, der anbietet, das zu übernehmen. Und ältere Verwandtschaft, die sich – obwohl Risikogruppe – standhaft weigert, sich unterstützen zu lassen. Da wäre es ja eher vorbildlich, wenn auch ich mir von jemand Jüngerem helfen lasse. Was also tun?

Kürzlich lief im Fernsehen ein Film, „Höhere Gewalt„, über eine Familie im Skiurlaub, die nur knapp einem Lawinenunglück entgeht. Im Moment der Gefahr kümmert sich die Mutter instinktiv um ihre beiden Kinder, während der Vater fortläuft. Nachdem die Gefahr gebannt ist, kehrt der Vater zur Familie zurück und alle tun so, als ob nichts geschehen wäre. Der Film lebte anschließend von der Spannung, wie die Familie damit klarkommt, dass in einem existenziellen Moment solch unterschiedliche Überlebensinstinkte zu Tage getreten sind.

Solche Momente erleben wir auch gerade, im Kleinen wie im Großen. Es ist klug, nicht einfach darüber hinwegzugehen. Solche Momente haben das Zeug uns langfristig zu beschäftigen.

Beim Einkaufen gibt es nun folgende Möglichkeiten:

  1. den Sohn fahren lassen, und sich dabei entweder ohnmächtig, wie ein Feigling oder Paranoiker zu fühlen – oder dies als vernünftige Entscheidung zu betrachten, die nicht nur im eigenen Interesse ist, sondern auch im Sinne der ganzen Familie und der Gesellschaft.
  2. selbst losfahren, und sich dabei entweder als Retter und Held fühlen, der furchtlos und unverwundbar hinaus in die Welt zieht – oder dies als vernünftige Entscheidung zu betrachten, weshalb man dann auch beim Einkaufen vernünftiges Verhalten zeigt (Abstand hält und z.B. einen Mundschutz trägt, selbst wenn man dafür schief angeschaut wird).
  3. sich als Vater mit seinem Sohn abwechseln,  um Risiko und „Heldenstatus“ gerecht zu verteilen – und zugleich versuchen, daraus keinen Wettbewerb entstehen zu lassen.
  4. gemeinsam fahren, ebenfalls um Risiko und „Heldenstatus“ untereinader gerecht zu verteilen – aber dabei zugleich das Gesamtrisiko zu erhöhen
  5. sich liefern lassen, das Problem auf andere abzuwälzen, dabei aber zugleich auf jeglichen Anteil an „Heldentum“ zu verzichten.

Richtig überzeugend finde ich nichts davon. Es scheint mir allerdings ein Merkmal dieser Krisenzeit zu sein, das plötzlich auch Kleinigkeiten ethisch aufgeladen sein können und uns irritierende Dilemmata bereiten.

Nur eins scheint klar: Wir brauchen vernünftige Helden, vernünftige Feiglinge und vernünftige Igel. Und wahrscheinlich kann jeder von uns mal das eine, mal das andere und mal das dritte sein.

Wie im U-Boot – Tipps für das Homeoffice von einem Experten des Lebens auf engstem Raum

Homeoffice war lange der Herzenswunsch vieler Berufstätiger, die sich nach mehr Freiheit, Selbstbestimmung und Flexibilität gesehnt haben. Aktuell wird Homeoffice in das genaue Gegenteil verkehrt. Freiheit? Selbstbestimmung? Eher die Gefahr von Isolation und Lagerkoller.

Im Internet kursieren gerade eine Reihe interessanter Tweets eines ehemaligen U-Boot-Fahrers, von dessen Erfahrungen des Lebens und Arbeitens auf engstem Raum wir vielleicht profitieren können. (Dank an den Podcast von Jan Böhmermann und Oli Schulz, dem ich diesen Hinweis entnommen habe, eine Zusammenfassung bietet der Independent.)

Hier die Alltagstipps aus dem Twitter-Account: Schaffe Dir eine Routine, erhalte Dir Privatsphäre, iss regelmäßig, trainiere, mach sauber, bleib in Kontakt mit der Außenwelt und bewahre Dir eine Zukunftsperspektive.

Tipp 1: Routine

Tipp 2: Privatsphäre

Tipp 3: Essen

Tipp 4: Training

Tipp 5: Sauber machen

Tipp 6: In Kontakt bleiben

Tipp 7: Eine Zukunftsperspektive bewahren („Es wird vorüber gehen…“)


Resilienzmanagement

Mit großer Sympathie und ein wenig Erstaunen beobachte ich gerade, dass die weit überwiegende Mehrheit der Bewölkerung ziemlich sachlich und gelassen auf den drastisch veränderten Alltag reagiert. Jedenfalls habe ich dieses Bild, wenn ich meine persönlichen Gespräche und die mediale Berichterstattung in meiner persönlichen Filterblase als Basis nehme. Damit war nach den zunehmend aufgehitzten Debatten über – wie wir heute wissen – Nebensächlichkeiten in den Monaten davor nicht unbedingt zu rechnen. (Einnert sich noch jemand an die AfD? Nein?) Hoffen wir, dass das so bleibt.

Für den Moment jedenfalls hat man den Eindruck, dass die meisten Menschen ausgesprochen resilient reagieren. Sie haben eine belastbare psychische Widerstandsfähigkeit. Sie nutzen ihre Kreativität, ihre sozialen Kontakte (auf Distanz) und neue Techniken um die Krise zu meistern.

Die Resilienz von Unternehmen hingegen scheint oft schneller an ihre Belastungsgrenzen zu kommen. Aktuell erleben wir das besonders drastisch am Beispiel der Krankenhäuser. Hier ist derzeit z.B. die Versorgung mit Grundausstattungen wie Schutzmasken nicht gesichert. Das ist die Konsequenz einer Umstellung der Krankenhaussteuerung, die in der Tendenz abrückt von medizinischen Prioritäten und sich hinbewegt zu ökonomischen. Ganz praktisch heißt es nämlich, dass bei der Anschaffung von Schutzausrüstung die Funktionalität und die Bevorratung im Vergleich zu Anschaffungs- und Lagerungskosten immer weniger Bedeutung haben. Sprich: es werden nur so viel und möglichst günstige Masken und Handschuhe gekauft, wie ein Krankenhaus für den Regelbetrieb braucht. Diese Umsteuerung ist ein schleichender Prozess, der seit Jahren anhält. Er geht nur so lange gut, wie er durch Engagement und Innovationsbereitschaft des Personals aufgefangen wird – und so lange es keine größeren Krisen gibt. Ich kenne Krankenhäuser, die sich jetzt bemühen, Einweg-Masken notdürftig zu sterilisieren, um überhaupt Material zu haben. Und die froh sind, überhaupt noch über Sterilisationstechnik zu verfügen und diese nicht auch bereits aus Kostengründen abgeschafft zu haben.

In der einen oder anderen Form sind zahlreiche Unternehmen von ählichen Effekten betroffen. Mit Nachdruck werden nun gigantische Rettungsschirme für die Wirtschaft gefordert und im Eiltempo bewilligt. Eine Konsequenz der Krise könnte sein, dass die Just-in-Time-Logik, die Trimmung auf Effizienz aller Arbeitsprozesse neu bewertet werden muss. Wir brauchen mehr Puffer.

In der Personal- und Organisationsentwicklung spielt das Thema Resilienz seit einigen Jahren eine immer wichtigere Rolle. Oft ist es jedoch vorrangig mit der Idee verknüpft, dass das Personal befähigt werden soll, resilient auf Veränderungen zu reagieren. Dafür gibt es unzählige Angebote: Resilienztrainings, Achtsamkeitsübungen usw. Alles gut und wichtig. Doch der Fokus muss sich erweitern: Organisationen brauchen ein Resilienzmanagement, das verhindert, dass alles auf Kante genäht wird.

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Der Pessimist in mir lässt sich leider nicht ganz still legen. Vielleicht bekommen wir auch in ein paar Tagen alle einen kollektiven Lagerkoller. Vielleicht kommen dann auch die Populisten wieder aus der Versenkung. Und vielleicht werden langfristig die Spielregeln des ökonomischen Wettbewerbs wieder alle Erfahrungen mit der Krise zunichte machen. Wir sollten versuchen, dagegen zu halten.

Selbstorganisation? Hierarchische Führung? Hmm…

Selbstorganisation ist etwas Großartiges. Als Freiberufler betrachte ich sie schon aus ganz egoistischen Motiven als hohes Gut.

Doch schon lange vor der Corona-Pandemie haben der Kollege Rainer Witzel und ich uns kritisch mit dem Hype um diese Idee auseinander gesetzt, unter anderem mit einem Artikel „Last Exit Selbstorganisation“ sowie einigen Texten über Agilität (in den „Positionen“ sowie im „Coaching-Magaztin„). Selbstorganisation wurde zuletzt fast als Allheilmittel gefeiert: gegen verkrustete Organisationsstrukturen, gegen Frust über Führungshandeln oder als Patentrezept zur Anpassung an verschärften Wettbewerb und die VUKA-Welt. (VUKA steht für: volatil, unsicher, komplex, ambivalent, d.h. für die Vorstellung, dass die Welt auf unterschiedliche Weise immer unübersichtlicher wird.)

Ohne Zweifel kann eine Organisationsentwicklung, die auf Selbstorganisation setzt, nicht nur zweckmäßig sein, sondern auch emanzipatorische Kräfte entfalten. Prinzipiell ist es eine attraktive Vorstellungen, Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen die Menschen so selbstbestimmt wie möglich handeln können.

Doch aktuell sehen wir, wie eigentlich immer wieder im Leben, dass alles seine zwei Seiten hat. Zum Glück und notwendigerweise sind schon immer in Bereichen der Krisenbewältigung die Aufgaben top-down organisiert: Feuerwehr, Notaufnahmen,…. Das fällt einem im Alltag nur nicht so auf. Dezeit allerdings zeigt sich flächendeckend, wie vorteilhaft es sein kann, wenn Entscheidungsketten und Hierarchiestufen klar festgelegt sind und nicht ständig neu verhandelt werden.

Das Wort Selbstorganisation enthält eben auch das Wort Organisation. Und dies beinhaltet, dass viel Zeit und Meta-Kommunikation darauf verwendet wird, wer genau wann wofür die Verantwortung übernimmt. Nur: manchmal hat man diese Zeit und Ruhe eben nicht. Dann ist es gut, wenn jemand Führungsverantwortung übernimmt und top down Entscheidungen trifft, auch wenn sie nicht allen passen.

Die demokratische Verfasstheit unseres Landes ermöglicht es, spätestens im Nachhinein in Ruhe zu prüfen, ob sich die (gewählten) Führungskräfte angemessen und korrekt verhalten haben und ob sie die richtigen Entscheidungen getroffen haben. So ähnlich machen es auch andere Berufsgruppen, z.B. Kriseneinsatzkräfte oder Piloten. Diskutiert und Rechenschaft abgelegt wird im Nachhinein. Bis dahin haben Führungskräfte hier einen Vertrauensvorschuss verdient, so lange sie sich nichts sofort erkennbar Gravierendes zu Schulden kommen lassen.

Platz für Selbstorganisation ist dennoch. Das zeigen all die großen und kleinen Initiativen, die derzeit aus dem Boden sprießen, um kreative Ideen zur Bewältigung des neuen Alltags zu entwickeln und umzusetzen: sei es unter dem Dach des Hackathons „#WirvsVirus“, sei es der lokal organisierte Einkaufsservice z.B. in den Digitalen Dörfern. Selbstorganisation ist hier die Reaktion auf von oben angeordnete restriktive Maßnahmen – und zwar interessanterweise mit dem Ziel, diesen Maßnahmen zum Erfolg zu verhelfen. Nicht subversiv, gegen „die Mächtigen“.

Vielleicht gelingt es uns künftig, die Frage des Verhältnisses zwischen Hierarchie und Selbstorganisation in der Arbeitswelt mit diesen Erfahrungen etwas weniger ideologisch zu beantworten – weder mit dem simplen und gefährlichen Ruf nach „starken Männern“, noch mit einem allzu beliebigen oder verklärten Blick auf Selbstorganisation. Es kommt immer auf den Kontext an.

Bei aller Kritik an Details, an Fehlern der Vergangenheit bei der Organisation des Gesundheitswesens, bei aller Sorge um die wirtschaftliche Zukunft und bei allem Mitgefühl für die unmittelbar Betroffenen: Ich persönlich bin jedenfalls sehr froh zu sehen, wie gut die Institutionen dieses Staates in der Krise bislang funktioneren und wie selbstverständlich die verschiedenen Entscheidungsträger ihre Verantwortung wahrnehmen und bereit sind, schwierige Entscheidungen zu treffen. Respekt.