Dr. Annette Mulkau (Vorstandsvorsitzende der DGSv) und Robert Erlinghagen (Vorstand der DGSv) beschreiben, was es mit Supervision auf sich hat. Hier geht es zum Mitschnitt des LinkedIn-Live-Interviews.
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Supervision in der sozial-ökologischen Transformation: Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift supervision befasst sich mit der Frage, inwieweit Supervision und Coaching bei der sozial-ökologischen Transformation nützlich sein können, ob hier Marktchancen liegen oder ob es nicht sogar einen gesellschaftlichen Auftrag an Supervisior*innen und Coaches gibt, an der Transformation mitzuwirken. Redakteure des Heftes waren Prof. Dr. Erhard Tietel und Robert Erlinghagen. Mehr Infos unter https://www.zeitschrift-supervision.de/cms/
Dr. Annette Mulkau, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSv), und Robert Erlinghagen, Vorstandsmitglied, haben bei Haufe.de eine kurze Erklärung zu der Frage veröffentlicht, was Supervision ist und was sie von Coaching unterscheidet: https://www.haufe.de/personal/hr-management/was-ist-supervision-in-unternehmen_80_573254.html
Zum 1. Juni 2022 übernimmt Robert Erlinghagen die Position eines Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSV). Er folgt in dieser Funktion auf Dr. Annette Mulkau, die Ihrerseits den Vorsitz des Vorstands übernimmt. Der bisherige Vorstandsvorsitzende Paul Fortmeier beendet planmäßig nach siebeneinhalb Jahren seine Tätigkeit in der Verbandsführung. Die DGSv ist der größte Fach- und Berufsverband für Supervisor*innen und Coaches in Deutschland und vertritt die Interessen von rund 4.500 Mitgliedern. Sitz der Geschäftsstelle ist Köln. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf der Website der DGSv: www.dgsv.de.
Neulich in einem Coaching berichtete mir eine Führungskraft, wie sich ihr Privatleben durch eine mehrmonatige Abwesenheit ungewollt verändert hatte: „Früher war es ein Ritual, dass samstags die Kumpels zum Fußballgucken zu uns in die Garage kamen.“ Nach seiner Rückkehr war das plötzlich nicht mehr so; jetzt traf man sich halt woanders. Der Versuch, das Ritual wieder aufleben zu lassen, scheiterte; die neue Gewohnheit war längst fest etabliert.
Eine Kollegin wiederum erzählte, wie schwer ihre Kundensysteme – v.a. soziale Einrichtungen – sich im Augenblick damit täten, die früher üblichen Teambesprechungen und Supervisionen wieder in den Alltag zu integrieren. Angesichts von Zeitdruck und der Hygienevorschriften seien viele Tätigkeiten an die Stelle dieser Gespräche getreten. Man wisse gar nicht mehr, wie man nun die Supervisionen zusätzlich (!) noch organisieren solle.
In vielen Organisationen spielt sich derzeit auch nach meiner Beobachtung Vergleichbares ab: Der Corona-Alltag hat bestehende Rhythmen, Strukturen, Rituale durcheinander gewirbelt. Dabei waren Mitarbeiter/innen und Führungskräfte damit beschäftigt, das Tagesgeschäft zu managen. Für grundsätzliche Überlegungen, ob die neuen Gewohnheiten und Arbeitsweisen genau so auch sinnvoll sind, blieb wenig Zeit und Energie. Entstandene Lücken wurden ungeplant und unsystematisch gefüllt, um die täglichen Anforderungen zu bewältigen. Dabei ist manches auf der Strecke geblieben, was nun schmerzlich vermisst wird, was sich aber nicht ohne Weiteres wiederherstellen lässt.
Auch vorher schon ließ sich ein Trend beobachten, dass sich Arbeitsverdichtung und Zeitdruck tendenziell auf Kosten von Meta-Reflexion, Teamabstimmung, Supervision und ähnlichen „Pausen“ außerhalb des Hamsterrads auswirkten. Während der Kontaktbeschränkungen sind insbesondere Teammeetings und Gelegenheiten zur gemeinsamen Reflexion weggefallen. Es wird gar nicht so leicht sein, hierfür wieder „Lücken“ zu schaffen – obwohl gerade jetzt der Bedarf dafür enorm ist, denn die Verarbeitung der Corona-Pandemie und ihrer Auswirkungen beginnt gerade erst und die nächsten Herausforderungen werden nicht lange auf sich warten lassen.
Krisen- und Konfliktmanagement, die Frage nach Entwicklungsmöglichkeiten oder einfach nur der Wunsch nach einem unabhängigen Feedback – es gibt mehrere Gründe, warum viele im Berufsleben auf ein begleitendes Coaching setzen. Doch der Coachingmarkt ist unübersichtlich und die Berufsbezeichnung nicht geschützt. Daher gilt: Augen auf bei der Coachauswahl. Aber was macht einen guten Coach aus?
Die Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSv) hat hierzu im Sommer eine Radiokampagne durchgeführt. Unter dem Titel „Gute Beratung! Supervision und Coaching im Beruf“ lief die Produktion auf Sendern wie dem Berliner Rundfunk, Radio Frankfurt, verschiedenen Antenne-Sendern, Radio SAW u.v.m.
Im November 2019, lange vor Corona, in einer versunkenen Zeit, hatte die Redaktion der Zeitschrift „Supervision“ einige Supervisor/innen und Coaches zu einem Brainstorming eingeladen. Ziel war es, eine Ausgabe der Zeitschrift zu den Zukunftsperspektiven der Supervision vorzubereiten. Diese Ausgabe ist nun, im Juli 2020, erschienen, mit einem Beitrag von Robert Erlinghagen über „Die ungewisse, aber goldene Zukunft der Supervision“.
Bemerkenswerterweise sind die Beiträge allesamt weiterhin aktuell, obwohl sich doch scheinbar durch Corona so vieles geändert hat. Vielleicht sind sie sogar aktueller, als vor der Pandemie – denn
- erstens sind Supervision und Coaching ja diejenigen Professionen, die ein Innehalten im Berufsalltag ermöglichen – also im Kern genau solche Phasen begleiten, wie wir sie als Gesellschaft derzeit erleben und
- zweitens stehen Supervision und Coaching für einen professionellen Umgang mit Mehrdeutigkeit, Ungewissheit, unterschiedlichen Perspektiven und ergebnisoffenen Prozessen der Kommunikation über und Organisation von Arbeit. Und Ungewissheit ist ja so etwas wie der Markenkern der Corona-Pandemie.
Genau deshalb ist die Zukunft dieser Professionen auch golden: Weil der Bedarf an Nachdenklichkeit, an der Fähigkeit mit Ungewissheit und Widersprüchlichkeit im Berufsleben umgehen zu können, tendenziell zunehmen wird – Corona hin oder her. Darüber hinaus wächst – wie der Soziologe Hartmut Rosa veranschaulicht – das Bedürfnis nach Resonanz. Supervisor/innen und Coaches sind Profis darin, genau dies zu ermöglichen, während sie gleichzeitig die ökonomische Anforderung der Effektivität beruflichen Handelns nicht aus dem Blick verlieren. Supervisor/innen und Coaches arbeiten systematisch mit den unterschiedlichsten antagonistischen Prozessen, wie sie sich in der Corona-Krise noch einmal zugespitzt haben.
Ungewiss ist die Zukunft sowieso immer. Im speziellen Fall der Entwicklungsperspektiven für Supervision und Coaching ist sie deshalb besonders ungewiss, weil die Anforderungen an die Professionen steigen. Das Fazit des Beitrags zur goldenen, aber ungewissen Zukunft lautet: Coaches und Supervisor/innen benötigen nicht nur die oft beschworene Methodenvielfalt. Sie benötigen auch eine Welterklärungsvielfalt – also viele verschiedene Ansätze, die Arbeitswelt zu verstehen. Auch dies hat sich in der Corona-Krise noch einmal verdeutlicht: Es ist gar nicht so leicht, unterschiedliche Denksysteme (hier: Virologie, Ökonomie, Politik, Psychologie, Medien usw.) miteinander in ein konstruktives Gespräch zu bringen. Selbst wenn man glaubt, sich verstanden zu haben, führen die inneren Logiken der unterschiedlichen Denkschulen fast unweigerlich zu Missverständnissen, Fehlinterpretationen und in der Folge zu wechselseitiger Kritik bis hin zu Schuldzuweisungen oder gar Verschwörungsmythen. Auch dies ist eine Kernkompetenz von Coaches und Supervisor/innen: Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Biografien, inneren Landkarten ins Gespräch zu bringen – und nicht zu früh mit dem Nachfragen aufzuhören.
Allerdings: Sind Coaches und Supervisor/innen z.B. selbst ausreichend in der Lage, die Komplexität z.B. der Digitalisierung zu reflektieren? Sind sie in der Lage, den gap zwischen digital natives und digital immigrants auch in den eigenen Reihen zu überwinden? Sind sie bereit, sich aus den verschiedensten Quellen (Psychologie, Soziologie, Ökonomie, …) inspirieren zu lassen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben? Wird es ihnen gelingen, den Nutzen ihrer Fähigkeit im Umgang mit Ambiguitäten und Ungewissheiten nachvollziehbar zu vermitteln?
Wenn sich eines in den letzten Tagen deutlich gezeigt hat, dann ist es die Notwendigkeit, dass wir alle noch besser mit Nicht-Wissen und Ambivalenzen umzugehen lernen. Oder anders formuliert: Die Welt braucht Coaching und Supervision.
Wenn sie nicht so gefährlich wären und zu gewalttätigen Übergriffen führten, könnte man sich über einige der aktuell kursierenden Verschwörungstheorien ja regelrecht kaputtlachen. Doch der wachsende Zuspruch, den diese kruden Geschichten derzeit bekommen, löst eher Beklommenheit, Ratlosigkeit, teilweise auch Wut aus. Wut deshalb, weil Verschwörungstheoretiker jeden vernünftigen Menschen strukturell immer in die Defensive treiben und bar jeden Zweifels das Recht für sich beanspruchen, einem die Welt erklären zu können. Widerspruch zwecklos. Gegenargumente ebenso. Und nachdenkliche Fragen dringen gar nicht mehr durch.
Genau das unterscheidet Verschwörungstheorien auch von sachlicher Kritik an politischen Entscheidungen: der Mangel an Selbstzweifel. Vollends absurd sind dann Angriffe auf „die Wissenschaftler“, weil diese ja ständig ihre Meinung änderten. Und dieser Vorwurf kommt nicht einmal nur aus der Ecke der Verschwörungstheoretiker, er kommt auch aus der Mitte der Gesellschaft.
Dabei ist genau das der Kern von Wissenschaft: die Bereitschaft, eine als falsch erkannte Theorie aufzugeben und sich von guten Belegen und Argumenten überzeugen zu lassen. Im Moment stellen wir fest, dass genau das vielen Menschen schwer fällt: eine Meinung zu ändern, wenn sich neue Erkenntnisse auftun.
Doch der Umgang mit Nicht-Wissen und Ambivalenzen verlangt uns sogar noch mehr ab, nämlich die Erkenntnis, dass wir erstens jederzeit nur über ein begrenztes Wissen verfügen können, also nie zu einer absoluten Wahrheit gelangen werden und dass zweitens jederzeit auch das genaue Gegenteil dessen, was wir für richtig halten, ebenso richtig sein kann. „Ich weiß, dass ich nicht weiß“ und „Sowohl-als-auch“ forever.
Als Coach ist dies eine berufliche Grundhaltung: Mein Wissen ist begrenzt und das Gegenteil dessen, was ich gerade denke, kann auch wahr sein. Wir arbeiten mit Hypothesen und müssen jederzeit die Bereitschaft aufbringen, uns von solchen Hypothesen wieder zu verabschieden. Da ähnelt unsere Arbeit der von Wissenschaftlern. Das ist manchmal nicht leicht. Auch als Coach zimmert man sich Weltbilder und hat Überzeugungen. Manchmal verliebt man sich auch in ein Erklärungsmuster, weil es so schön zu passen scheint. Oder auch, weil man sich damit als originell, besonders kreativ oder gebildet inszenieren kann. Und man will auch nicht haltlos erscheinen. Aber im Zweifelsfall ist genau das die Kunst: sich von seinen eigenen inneren Landkarten zu lösen, um sich auf die spezifische Situation einzulassen, um die es im Coaching gerade geht.
Coachings und Supervisionen leben davon, den Umgang mit Ambivalenzen, mit Nicht-Wissen zu fördern und zu unterstützen. Verschiedene Perspektiven auf ein und dieselbe Frage einzunehmen. Unterschiedliche Standpunkte zu erkennen und nebeneinander stehen zu lassen. Dem Wunsch nach Eindeutigkeit zu widerstehen, weil er der Sache nicht gerecht wird.
Diese Welt braucht definitiv mehr Wissenschaft – und mehr Coaching und Supervision. Da kann man das Zweifeln und das Sowohl-als-auch lernen, das wir derzeit dringend benötigen.
Die Zukunft von Supervision und Coaching
,Vor dem Jahreswechsel wurden einige Kollegen und ich von der Redaktion der Zeitschrift „Supervision“ eingeladen, uns Gedanken über die Zukunft der Supervision zu machen. Zwischenzeitlich habe ich dazu einen Beitrag verfasst, der im Kern sowohl Supervision als auch Coaching eine goldene Zukunft verspricht, sofern Supervisor/innen und Coaches es schaffen, zeitgemäße Angebote zu machen.
Wieso goldene Zukunft? Weil das Bedürfnis nach Resonanz steigt und weil es immer wichtiger wird, mit Unsicherheit, Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten umzugehen. Immer mehr Menschen suchen auch in der Arbeitswelt andere Formen der Gestaltung von Arbeitsbeziehungen, in denen sie die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, von wechselseitigem innerlichem Berührt-werden, von echter Resonanz im Sinne von Hartmut Rosa machen. Und – Corona führt es uns anschaulich und schmerzlich vor Augen – die Welt ist VUCA geworden: volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Deshalb wird der Bedarf nach professionell gestalteten Möglichkeiten der Reflexion zunehmen. Und trotz Corona bin ich davon überzeugt, dass langfristig diese Trends anhalten werden.
Dennoch fühlt es sich gerade so an, als sei es Monate her, dass ich diesen Beitrag für die „Supervision“ geschrieben hätte. Die Krise macht deutlich, dass Coaching und Supervision Angebote sind, von denen ich und meine Kolleginnen und Kollegen zwar glauben, dass sie essentiell sind. Existenziell sind sie aber nicht: Coachings und Supervisionen werden gerade reihenweise abgesagt. Und zwar nicht nur aufgrund von Social Distancing. Das ließe sich problemlos durch Telefon- oder Online-Coaching in den Griff bekommen. Nein: Anderes ist einfach viel wichtiger: Grundversorgung und Krisenmanagement.
Allerdings: Ich habe die (leise) Hoffnung, dass dann, wenn wir das gröbste überstanden haben, tatsächlich die große Stunde für all diejenigen schlägt, die ein Innehalten für sinnvoll halten und bereit sind, dafür Zeit und Ressourcen aufzuwenden.
Aufgabe von uns als Coaches und Supervisor/innen ist es deshalb jetzt, selbst erst einmal herunterzufahren. Beobachten, verstehen, was passiert. Nach der Krise einfach nur das selbe weitermachen, halt eben online, das wird wohl nicht reichen.
Wenn Sie in der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain wohnen und sich durch die aktuelle Corona-Krise seelisch belastet fühlen: Melden Sie sich einfach. Wir bieten ein offenes Ohr und psychologische Beratung, wenn Sie sich Sorgen um Ihren Arbeitsplatz machen, wenn Sie viel allein sind und (zu) viel Zeit zum Grübeln haben oder wenn Sie schwierige Entscheidungen treffen müssen. Telefonisch oder per Videochat. Kostenlos und ehrenamtlich. Nehmen Sie gerne per Mail Kontakt auf: re@mindshaker.de. Wir melden uns dann so schnell wie möglich.