COVID 19 fordert Opfer. Das ist furchtbar. Die Pandemie verlangt manchen Berufsgruppen alles ab, andere sind eher gelangweilte Beobachter. Das ist ungerecht. In Deutschland wird die ökonomische Krise bislang durch erhöhte Staatsausgaben abgefedert. Das ist nicht erfreulich und keine dauerhafte Lösung. Andere Staaten sind durch die Pandemie deutlich schlimmer gebeutelt oder werden wohl erst in einigen Wochen mit Wucht davon getroffen werden. Das ist schrecklich. Und natürlich gehen die Einschränkungen an unserer Psyche nicht spurlos vorbei, manche leiden akut. Was das langfristig bedeutet, wird man noch sehen.

Und trotzdem: In ganz stillen Momenten wünsche ich mir manchmal, dieser Ausnahmezustand würde uns noch ein wenig erhalten bleiben – als Gelegenheit, einmal inne zu halten.

Bildlich gesprochen hat uns die Vollbremsung auf der Autobahn des Arbeitslebens ordentlich durchgeschüttelt. Wir sehen die Rettungskräfte bei der Arbeit und versuchen zu erkennen, was den Stau verursacht hat und wie lange es sich wohl noch ziehen wird. Doch die Frage ist, ob wir jetzt, wo der Aufprall fürs Erste vermieden wurde, einfach wieder Gas geben und versuchen, uns am Hindernis vorbeizuschlängeln, um dann möglichst rasch wieder mit Vollgas zu fahren.

Vielleicht wäre es klüger, sinnvoller und auch für die Seele besser, einmal anzuhalten, auszusteigen, durchzuatmen, sich die Umgebung anzuschauen und zu überlegen, wie oder ob wir die Fahrt fortsetzen wollen. Vielleicht wäre es ja viel angenehmer, die Autobahn zu verlassen. Oder ein ganz anderes Fahrtziel zu wählen.

Die Zeit ist vermutlich zu kurz, als dass ein wirklich grundsätzliches Nachdenken über viele Themen schon eingesetzt hätte, für die die aktuelle Situation eigentlich eine Steilvorlage liefert: Welche Arbeiten und Tätigkeiten haben einen zu niedrigen, welche einen zu hohen gesellschaftlichen Stellenwert? Wieviel Konsum brauchen wir? Wieviel Mobilität wollen wir? Wie können wir den Zusammenhalt stärken? Was würden wir tun, wenn uns die Zeit dafür geschenkt würde? Das sind alles keine neuen Fragen. Aber es sind plötzlich keine abstrakten Gedankenspiele mehr, sondern wir machen hierzu reale Erfahrungen. Und auch für Unternehmen und Berufstätige kann die Vollbremsung so zu einem Geschenk werden: Einem Geschenk, das in der intensiven Auseinandersetzung mit der Frage besteht: Wofür wollen wir stehen? Was ist mir, was ist uns wirklich wichtig?

Ich glaube, wir könnten es irgendwann zutiefst bedauern, wenn wir das nach Corona einfach abhaken und so weitermachen wie zuvor.

PS: Kleiner Werbeblock – das muss an dieser Stelle einfach sein: Genau dafür ist Coaching da – für gründliches Nachdenken.

Soeben ist das „Jahrbuch Schulleitung 2020“ erschienen mit zahlreichen Beiträgen von Wissenscahftler*innen und Praktiker*innen zu aktuellen Trends im Bildungssektor. Einer der Trends heißt auch hier: Agilität. Robert Erlinghagen nimmt den Begriff unter die Lupe und prüft die Tauglichkeit dieses Ansatzes für die Schulentwicklung. Sein Fazit:

„Auf gewisse Weise sind Schulen bereits per se agil bzw. weisen Merkmale auf, die in Unternehmen erst mühsam hergestellt werden müssen:

  • Schulentwicklung findet in aller Regel bei laufendem Motor statt.
  • Kurzfristiges Reagieren auf Veränderungen ist Alltag.
  • Das Personal, die Lehrkräfte arbeiten in einem hohen Maße eigenverantwortlich und individualisiert.

Andererseits sind Schulen oft nicht systematisch agil, sondern im Hinblick auf die Gestaltung von Entwicklung und Veränderung tendenziell hektisch, aktionistisch, unkoordiniert. Es gibt:

  • Events anstelle von Prozessen, z.B. Studientage und Einzelfortbildungen, deren Vorbereitung und Rückkopplung in den Alltag nicht klar geplant ist
  • Immer wieder neue Projekte – mit der Euphorie und dem Zauber des Anfangs und Frustration durch Versandungen aufgrund mangelnder struktureller Verankerung
  • Luft nach oben bei der Nutzung von Handwerkszeug (Visualisierung, Protokolle, Zeitdisziplin, Moderationstechnik, Teamrollen usw.)
  • und gelegentlich unklare Rollen und Verantwortlichkeiten

Agilität ist nicht gleich Aktionismus. Agilität ist auch nicht gleich Bewegung um ihrer selbst willen. Agilität ist die Fähigkeit, bei Bedarf angemessen und schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Bei der Herstellung eines agilen Handlungsrahmens geht es daher nicht nur um Schnelligkeit, Flexibilität und Beweglichkeit, sondern auch um klare Verfahren für die Gestaltung der Interaktion.

So paradox es klingen mag: Die Inspiration für Schulen könnte deshalb in erster Linie darin liegen, die ohne Zweifel vorhandene kreative Power, die derzeit recht individualisiert genutzt wird, durch Verfahren der Meta-Kommunikation in geordnetere Bahnen zu lenken.“

Zu diesem Thema bietet mindshaker auch immer wieder Fortbildungen an.

Tipps zum Leben und Arbeiten in der Pandemie IV

Wenn Sie in Ihren Online-Meetings und Videokonferenzen schon alle Bücherregale, Wandschränke und Hintergrundmotive der Kollegen ausreichend begutachtet haben und auf der Suche nach etwas frischem Wind für Ihre virtuellen Besprechungen sind, hat eine Farm aus Kalifornien möglicherweise etwas für Sie: Goat 2 Meeting.

In Anspielung auf die Besprechungssoftware GotToMeeting bietet diese Farm die Möglichkeit, gegen eine Spende ein Lama, eine Ziege oder ein anderes Tier zu Ihrem Online-Meeting dazuzuschalten. Offenbar mit großem Erfolg: Es sind aktuell nur noch wenige Zeitfenster buchbar. Vermutlich sorgen die Tiere automatisch für gute Stimmung. Und sie machen sicher die Besprechung zu einem Anlass, auf den man wirklich neugierig ist.

Im Moment wird reichlich politische und beraterische Lyrik produziert. Es ist viel von der „Krise als Chance“ die Rede. Ein sprachliches Motiv, das man so langsam nicht mehr hören kann. Ja, natürlich, da ist was dran: Krisen sind Wendepunkte und Zuspitzungen. Nach der Krise wird es Opfer, Verlierer und Gewinner der Krise geben und die Gewinner werden diejenigen sein, die die Chancen genutzt haben oder im Nachhinein behaupten, sie hätten die Chancen genutzt, obwohl ihnen vielleicht auch nur der Zufall in die Hände gespielt hat. Die Resilienzforschung zeigt auch, dass Optimismus, Lösungsorientierung und der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit wesentlich dazu beitragen, dass man eine Krise besser bewältigt. Und ganz objektiv weichen Krisen festgefahrene Situationen auf. In Krisen ist vieles möglich, was zuvor unmöglich schien. Insofern will ich gar nicht behaupten, es sei falsch, eine Krise auch als Chance zu sehen.

Irritierend finde ich jedoch zweierlei: Ich werde erstens den Eindruck nicht los, dass „Krise als Chance“ eine Marketing- und Beschwörungsformel geworden ist. Mit ihr wird umstandlos der Sprung in eine bessere Zukunft versucht. Dabei – auch das zeigt uns die Resilienzforschung – gehört zur Krisenbewältigung neben dem Optimismus auch die Akzeptanz. Zunächst einmal müssen wir anerkennen, dass wir ein Problem haben. Dieses zu ignorieren, zu verdrängen, zu leugnen, ist sowohl seelisch als auch für politische oder unternehmerische Entscheidungen nicht klug.

Zweitens werden mit der Floskel manch romantische Szenarien entwickelt, die bei nüchterner Betrachtung ziemlich unrealistisch erscheinen. Die Krise wird als natürlicher Ausgangspunkt für Veränderungen gedeutet, die zwar wünschswert sind, aber keineswegs ursächlich durch die Krise initiiert werden: eine ökologischere Wirtschaft zum Beispiel oder eine bessere Bezahlung für Pflegepersonal.

Hierzu ein ketzerischer Gedanke: Wenn Pflegekräfte besser bezahlt werden wollten, wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt zum Streik. Das wäre mal ein Nutzen der Krise als Chance! So ähnlich, wie Flugpersonal in der Zeit vor den großen Urlaubswellen das größte Drohpotenzial nutzt. Aber ist das wirklich gemeint, wenn überall von Krise als Chance gesprochen wird? Geht es hier wirklich um grundsätzliches gesellschaftliches Umdenken, oder ist das Motiv „Krise als Chance“ nicht eher denen vorbehalten, die nun im Rahmen des Bestehenden nach Geschäftsgelegenheiten und Wettbewerbsvorteilen suchen? Ich schließe mich gern mit ein: Auch bei mindshaker versuchen wir, uns auf die veränderte Situation einzustellen und unter anderem mit Online-Coaching und Webinaren die Marktposition zu erhalten oder auszubauen. In einem marktwirtschaftlichen Umfeld ist das notwendig und innovationsfördernd. Aber im Kern ist es mehr vom selben.

Selbstverständlich werden Pflegekräfte jetzt gerade nicht streiken, ihr Berufsethos legt eher Pflichtbewusstsein nahe. In Wahrheit sind wir alle heilfroh, dass wir auf dieses Pflichbewusstsein bauen können. Und das werden wir wohl auch nach der Krise tun. Krise als Chance, das ist ein Motiv für Privilegierte, für diejenigen, die auch die Ressourcen und die Freiheit haben, die Chancen zu nutzen. Das Pflegepersonal, die Kassiererinnen und die Paketboten erhalten Applaus und vielleicht einen einmaligen Bonus. Mehr Chancen erhalten sie wohl nicht.

Sind wir dabei, eine einmalige Chance zu verpassen? Über die Rückkehr der Politiker und das Warten auf das Politische

In der Bekämpfung der Corona-Pandemie erleben wir gerade eine bemerkenswerte Rückkehr von Politikerinnen und Politikern. Eine Große Koalition, die zuvor im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt war und hilflos gegenüber populistischen Attacken erschien, zeichnet sich durch eine erstaunliche Handlungsfähigkeit aus. Es werden Entscheidungen in Größenordnungen getroffen, die vorher unvorstellbar schienen, und zwar sowohl hinsichtlich der Finanzen als auch hinsichtlich der unmittelbaren Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen. Dafür erhalten die zentralen Akteure außerdem bislang große Zustimmung – auch von mir.

Allerdings zeigt sich nach und nach: Es ist eine Rückkehr der Politiker und leider noch keine Rückkehr des Politischen. Was ist der Unterschied? Das Handeln der Politiker ist bisher im Wesentlichen Krisenmanagement. Es ist auf die akute Bedrohungslage bezogen. Wenig erkennbar ist, ob daraus auch ein echtes politisches Handeln wird, eine zukunftsgerichtete Gestaltung der Gesellschaft – und wenn ja, in welche Richtung.

Von vielen Journalisten, Interessenvertretern, Wissenschaftlern, NGO-Repräsentanten werden inzwischen Vorschläge gemacht, welche Lehren aus der Bedrohung gezogen und welche Chancen ergriffen werden sollten: von der besseren Entlohnung systemrelevanter Berufe über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens und Steuersenkungen oder Steuererhöhungen oder Umverteilung bis hin zu klimapolitischen Maßnahmen oder gemeinsamen Euro-Bonds als Zeichen europäischer Solidarität. Es ist alles dabei, was es zuvor auch schon an Vorschlägen gab.

Die derzeit wichtigen politischen Akteure allerdings, also diejenigen, die reale Macht haben und gerade auch nutzen, schweigen. Äußerungen kommen höchstens von Ehemaligen, Hinterbänklern oder aus den Oppositionsparteien. Es ist keineswegs erkennbar, ob aus dieser Krise tatsächlich relevante Impulse jenseits der Krisenbewältigung und des Wiederaufbaus folgen.

Das wäre zutiefst bedauerlich. Denn leider bergen Krisen die Gefahr, dass genau diejenigen daraus gestärkt hervorgehen, die auch vorher schon mit Handlungsmöglichkeiten und Ressourcen (wie Geld, medialem Einfluss, Kontakten) besser ausgestattet waren. Krisengewinnler sind gerade diejenigen, die die Schwächung von anderen nutzen. Wer jetzt Geld hat, kauft notleidende Unternehmen auf. Wer jetzt gute Verbindungen hat, schafft Netzwerke für die Nutzung der zu erwartenden Konjunkturprogramme nach der Krise. In den USA wurden zuletzt mitten in der Krise die Anforderungen an die Klimafreundlichkeit von Autos sogar gesenkt.

Pflegerinnen, Ärzte, Supermarktkassiererinnen und Paketboten werden von dieser Krise nicht profitieren, wenn nicht politische Rahmenbedingungen gesetzt werden, die genau das vorsehen – und zwar als bewussten Eingriff in freie Märkte. Denn es gibt keinen Grund anzunehmen, dass nach der Krise der freie Markt die Frage der Bezahlung dieser Tätigkeiten anders regeln wird als vorher.

Natürlich gibt es zahlreiche Unternehmen, die durchaus bereit sind, selbst in eine klimapolitisch sinnvollere und sozial gerechtere Gesellschaft zu investieren. Viele sind auch bereit, dafür auf einige Prozentsätze ihrer Gewinne zu verzichten. Aber man darf sich nichts vormachen. Aus eigener Kraft können sich einzelne Unternehmen nur sehr begrenzt gegen die Logik von Marktmechanismen und Verdrängungswettbewerben stemmen. Wenn wir europäische Solidarität, bessere Arbeitsbedingungen für bestimmte Berufsgruppen oder umweltfreundliche Produktionsprozesse haben wollen, dann braucht es dafür politische Setzungen. Dazu besteht derzeit eine vielleicht einmalige Chance.

Im Moment haben die politischen Entscheidungsträger ihre Machtposition enorm ausgebaut. Glücklicherweise muss man nicht den Eindruck haben, dass sie damit missbräuchlich umgehen. Auch sind die demokratischen Kontrollmechanismen ja nicht außer Kraft gesetzt. Die Parlamente funktioneren, die freie Presse ist frei wie immer, jeder Einzelne kann sich äußern – so wie ich es hier tue. Ich sehe in der Rückkehr der Politiker derzeit eher eine Chance, dass auch das Politische wieder mehr Einfluss gewinnt. Dass wir als Gesellschaft wieder mutiger werden, große Richtungsentscheidungen zu treffen. Dazu muss allerdings die Debatte darüber, welche Richtung wir einschlagen, bald auch von der Politik der ersten Reihe aufgegriffen werden. Sonst bleibt es ein Sturm im Wasserglas, der irgendwann in den Feuilletons und dann wieder in den populistischen Parteien landet.

Manchmal tut es gut, gezielt nach guten Nachrichten zu suchen.

Hier einige Links zu bemerkenswerten good news (mein Sohn hat mich auf die Idee gebracht):

Perspective Daily – eine Initiative für konstruktiven Journalismus (deutsch)

Good News Network – eine Plattform für gute Nachrichten aus aller Welt (englisch und spanisch)

SomeGoodNews – Youtube-Channel des Schauspielers John Krasinski (englisch)