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Mainz bleibt meins?

Für den Freitagabend des 5.2.21 hatte sich die Katholische Hochschule Mainz für Ihre Absolventinnen und Absolventen etwas ganz besonderes ausgedacht: Eine digitales Alumnis-Treffen mit Vortrag und digitaler Weinprobe. Das Angebot traf auf große Resonanz: 150 Ehemalige versammelten sich vor den Bildschirmen.

Zusammen mit dem Kollegen Daniel Piontek (dreheffekt) hatte Robert Erlinghagen (mindshaker) die Ehre und das Vergnügen, den Abend mit einem Impuls zu eröffnen. „Mainz bleibt meins?“ lautete der Titel. Die ursprüngliche Idee war es, eine paar Gedanken zum Thema „Krise als Chance“ zu formulieren. Doch Piontek und Erlinghagen schlugen vor, sich gar nicht so sehr mit der Krise aufzuhalten, sondern eher auf die Normalität von Veränderung und des ständigen Spannungsverhältnis zwischen Bewahrung und Innovation zu schauen.

Die Rolle eines Alumni selbst ist ja bereits von genau dieser Spannung geprägt: Gehöre ich noch dazu, oder doch nicht mehr? Will ich eher bleiben oder lieber gehen? Was von dem, das ich an der Hochschule gelernt habe, will ich mir erhalten, und wovon muss ich mich auch wieder verabschieden? Das Fazit des Impulses: Veränderung ist die Metamorphose von Bedeutungen. Wir verändern uns, indem wir uns und den Dingen und Ereignissen um uns herum eine andere Bedeutung geben.

Und danach ging’s zu Weinprobe – und dem Erleben von Veränderungen durch zivilisierten Kontrollverlust.

Resilienzmanagement

Mit großer Sympathie und ein wenig Erstaunen beobachte ich gerade, dass die weit überwiegende Mehrheit der Bewölkerung ziemlich sachlich und gelassen auf den drastisch veränderten Alltag reagiert. Jedenfalls habe ich dieses Bild, wenn ich meine persönlichen Gespräche und die mediale Berichterstattung in meiner persönlichen Filterblase als Basis nehme. Damit war nach den zunehmend aufgehitzten Debatten über – wie wir heute wissen – Nebensächlichkeiten in den Monaten davor nicht unbedingt zu rechnen. (Einnert sich noch jemand an die AfD? Nein?) Hoffen wir, dass das so bleibt.

Für den Moment jedenfalls hat man den Eindruck, dass die meisten Menschen ausgesprochen resilient reagieren. Sie haben eine belastbare psychische Widerstandsfähigkeit. Sie nutzen ihre Kreativität, ihre sozialen Kontakte (auf Distanz) und neue Techniken um die Krise zu meistern.

Die Resilienz von Unternehmen hingegen scheint oft schneller an ihre Belastungsgrenzen zu kommen. Aktuell erleben wir das besonders drastisch am Beispiel der Krankenhäuser. Hier ist derzeit z.B. die Versorgung mit Grundausstattungen wie Schutzmasken nicht gesichert. Das ist die Konsequenz einer Umstellung der Krankenhaussteuerung, die in der Tendenz abrückt von medizinischen Prioritäten und sich hinbewegt zu ökonomischen. Ganz praktisch heißt es nämlich, dass bei der Anschaffung von Schutzausrüstung die Funktionalität und die Bevorratung im Vergleich zu Anschaffungs- und Lagerungskosten immer weniger Bedeutung haben. Sprich: es werden nur so viel und möglichst günstige Masken und Handschuhe gekauft, wie ein Krankenhaus für den Regelbetrieb braucht. Diese Umsteuerung ist ein schleichender Prozess, der seit Jahren anhält. Er geht nur so lange gut, wie er durch Engagement und Innovationsbereitschaft des Personals aufgefangen wird – und so lange es keine größeren Krisen gibt. Ich kenne Krankenhäuser, die sich jetzt bemühen, Einweg-Masken notdürftig zu sterilisieren, um überhaupt Material zu haben. Und die froh sind, überhaupt noch über Sterilisationstechnik zu verfügen und diese nicht auch bereits aus Kostengründen abgeschafft zu haben.

In der einen oder anderen Form sind zahlreiche Unternehmen von ählichen Effekten betroffen. Mit Nachdruck werden nun gigantische Rettungsschirme für die Wirtschaft gefordert und im Eiltempo bewilligt. Eine Konsequenz der Krise könnte sein, dass die Just-in-Time-Logik, die Trimmung auf Effizienz aller Arbeitsprozesse neu bewertet werden muss. Wir brauchen mehr Puffer.

In der Personal- und Organisationsentwicklung spielt das Thema Resilienz seit einigen Jahren eine immer wichtigere Rolle. Oft ist es jedoch vorrangig mit der Idee verknüpft, dass das Personal befähigt werden soll, resilient auf Veränderungen zu reagieren. Dafür gibt es unzählige Angebote: Resilienztrainings, Achtsamkeitsübungen usw. Alles gut und wichtig. Doch der Fokus muss sich erweitern: Organisationen brauchen ein Resilienzmanagement, das verhindert, dass alles auf Kante genäht wird.

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Der Pessimist in mir lässt sich leider nicht ganz still legen. Vielleicht bekommen wir auch in ein paar Tagen alle einen kollektiven Lagerkoller. Vielleicht kommen dann auch die Populisten wieder aus der Versenkung. Und vielleicht werden langfristig die Spielregeln des ökonomischen Wettbewerbs wieder alle Erfahrungen mit der Krise zunichte machen. Wir sollten versuchen, dagegen zu halten.